Was passiert mit Alttextilien, wenn man sie in einen TEXAID-Container wirft?

Am 25.10. haben wir das TEXAID Sortierwerk in Schattdorf besucht. Wir wollten wissen, was mit unseren Klamotten passiert, wenn wir sie in einen TEXAID Container werfen. Michael Emmenegger, Head of Corporate Development von TEXAID Schweiz, hat uns das Werk vorgestellt.

(c) TEXAID

Was macht TEXAID heute?

TEXAID ist eine AG, die 1978 von sechs Hilfswerken und einem Investor gegründet wurde. Ziel der Hilfswerke war es, mit TEXAID alte Textilien zu sammeln und einer sinnvollen Verwertung zuzuführen. Zusätzlich sollten Arbeitsplätze im wirtschaftsschwachen Kanton Uri geschaffen werden. Heute sammelt TEXAID noch immer Alttextilien ein und sortiert sie so, dass sie noch möglichst lange eine sinnvolle Verwendung haben. TEXAID sammelt Alttextilien in der Schweiz, in Deutschland, in Spanien und in Österreich und sortiert diese Textilien unter anderem in den eigenen Sortierwerken in Deutschland, Schweiz, Ungarn, Bulgarien und Marokko. Gruppenweit werden jährlich rund 75.000 Tonnen Alttextilien gesammelt (Schweiz: rund 36’000 Tonnen, Deutschland: rund 37’000 Tonnen). Das ist ein sehr kleiner Teil der globalen textilen Abfallmengen, es werden jährlich alleine 53 Millionen Tonnen Fasern für die Herstellung von Textilien benötigt.

Was sind «Alttextilien»?

Alttextilien sind alle Textilien (Bekleidung / Badematten etc.), welche die Leute nicht mehr haben wollen und entsorgen. Das können auch neue Textilien sein oder «Overstock-Restbestände» bei Retailern. Aber es landet auch anderer Müll (z.B. Elektrogeräte) in der Sammlung, der nicht in den Container gehört.

Wie funktioniert die Textil-Sortierung?

Täglich kommen mehrere Tonnen Alttextilien per Bahn und Lkw ins Sortierwerk nach Schattdorf. Im Jahr 2017 sammelte TEXAID Schweiz rund 36’000 Tonnen. Das ist ein sehr kleiner Teil vom globalen Textilmüll. Von einem Lastwagen werden Säcke mit Altkleidern auf ein Fliessband gelegt. In der Schweiz wird ein grosser Teil der Textilien direkt unsortiert in grosse Säcke verpackt und an eigene Sortierwerke in Ungarn und Bulgarien oder externe Verwertungsbetriebe versendet, welche  näher am Ziel-Markt der Secondhand-Ware sind. Die restlichen Textilien werden im Werk in Schattdorf sortiert. Im Schattdorfer Werk sind das im Jahr rund 1.800 Tonnen. Um die Textilien zu sortieren, nehmen Mitarbeiter jedes einzelne Textil in die Hand und prüfen sehr schnell, in welche von rund 60 Kategorien es gehört. Diese Nummer wird in ein Mikrofon gesprochen. Das Textil kommt auf ein Fliessband und wird dort automatisch in einen von vielen Behältern sortiert. Beispielsweise kommen alle Mäntel, Badekleider und generell Secondhand-Qualität in unterschiedliche Behältnisse und werden gelagert.,. Alles, was nicht mehr verkaufbar ist, kommt ins «Recycling» und wird als Rohmaterial dem Downcycling-Verfahren zugeführt. Das Ziel hier ist also, mit möglichst wenig Aufwand die brauchbaren Textilien auszusortieren und sie entsprechenden Märkten zuzuordnen, und dabei wird natürlich möglichst so differenziert, dass die grösstmögliche Wertschöpfung erreicht wird. Dabei ist eine wichtige Erkenntnis von TEXAID, dass die Qualität von Kleidung in den letzten Jahren abgenommen hat, und damit weniger Kleidung als früher als Second Hand verwendet werden kann.

Die Kleider werden dann in Säcke abgefüllt, und für jeden Sack steht fest, wohin er verkauft/exportiert wird. Im Jahr 2017 gingen gruppenweit 34.9% aller gesammelten Textilien nach Osteuropa, 27.8% nach Afrika, 26% nach Westeuropa 6.9% in den Fernen Osten. Rund 5% der in Deutschland gesammelten Textilien, werden in eigenen Secondhand-Shops verkauft (ca. 50 Stores deutschlandweit). In den meisten Ziel-Ländern werden die Kleider dann noch einmal nachsortiert. Vermutlich werden hier auch Textilien als «nicht verkaufbar» aussortiert. Die weiteren Verarbeitungsschritte sind nicht vollumfänglich bekannt.

Die Abfall-Hierarchie

Es gibt eine klare Abfall-Hierarchie, die man bei der Sortierung verfolgt:

  1. VERMEIDUNG: Hier kann TEXAID wenig tun. Dies ist der Wichtigste Punkt. Dies ist die Verantwortung der Konsumierenden.
  2. VORBEREITUNG ZUR WIEDERVERWENDUNG (REUSE):
    Fokus von TEXAID, hier: 2nd Hand Verkauf (57%, ca. 43.000 Tonnen)
  3. RECYCLING: v.a. Putzlappen, Reisswolle oder Dämm-Material
    (32%, also ca. 24.000 Tonnen) – hier forscht TEXAID aber auch an sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten (siehe Bild unten).
  4. SONSTIGE VERWERTUNG: v.a. Verbrennung mit Energiegewinnung (
  5. BESEITIGUNG: Deponie
Ergebnisse eines Forschungsprojekts: Was aus Alttextilien hergestellt werden kann.

MARKs FAZIT

TEXAID erfüllt eine sinnvolle Aufgabe, indem es alte Textilien effizient einsammelt, sortiert und der Weiterverwendung zuführt (v.a. Second Hand). Eindrücklich ist, wie viel Textilabfall im Sortierwerk anfällt, also wie viele brauchbare Dinge wir wegwerfen und v.a. wieviel davon nicht mehr brauchbar ist (u.a. auch Overstock!). Durch den Besuch ist mir sehr viel klarer geworden, wie aufwändig die Textilsortierung ist. Vor allem: Circular Economy Lösungen sind aufwendiger (v.a. energetisch, komplexe Verfahren) als die meisten Leute denken. Vieles ist noch nicht machbar. Global gesehen werden letztendlich aktuell die meisten Textilien am Ende verbrannt. Suffizienz macht vor dem Hintergrund immer mehr Sinn (siehe ganz unten).

Deshalb habe ich drei Folgerungen:

  1. Bevor ich künftig Textilien in den Container werfe, werde ich schauen, ob ich nicht eine lokale Verwendung finde: Zum Beispiel: Klamotten verschenken, Abgabe bei Kleidertauschparties bzw. Kleiderbörsen, lokalen 2nd Hand Shops. Das ist aufwändiger, aber sinnvoll, es erst einmal lokal zu versuchen. Wir könnten diese Optionen auch verstärkt bei GETCHANGED aufnehmen, wenn das jemand machen möchte.
  2. Alte T-Shirts würde ich eher als Putzlappen verwenden und dann in den Müll schmeissen als in den TEXAID-Container (in beiden Fällen werden sie thermisch verwendet). 
  3. Die Tipps unten beachten.
  4. Alles, was ich in meiner näheren Umgebung nicht mehr loswerde, schmeisse ich in den Container.

Der reine Wahnsinn, dass…

… global jährlich 100 Millionen Tonnen Textilabfälle anfallen – 2030 sollen es 160 Millionen Tonnen sein! In Schattdorf standen wir vor einem sehr hübschen Stapel (10m hoch, 10m lang) mit zu Ballen gepressten Alttextilien, die geschreddert werden. Dieser riesige Stapel wog nur ein paar wenige Tonnen.

Packten wir diesen Textilmüll in Standard-Container, dann bräuchte man knapp 4 Millionen 20 Fuss Container (jeder Container fasst 26.5 Tonnen und ist 6m x 2.5m x 2.5m gross). Würden wir diese Container aneinanderreihen, dann ergäbe eine Containerreihe von 24.000 km, also ein Streifen von 2.5 Metern Höhe 2.5 und Metern Breite, mehr als ein halbes Mal um den Äquator. Jedes Jahr. Und in 10 Jahren kommen wir mit unserem Müll dann fast einmal um die Welt…

Rechenaufgabe für die Mathematiker unter Euch: In wie vielen Jahren hätten wir die gesamte Erde mit Containern voller Textilien zugepflastert? Wer die löst, bekommt einen Gutschein über 20 CHF (Zwinkersmiley).

Was kann ich tun, um diesem Wahnsinn zu begegnen?

  1. WENIGER Klamotten kaufen.
  2. WENIGER Klamotten kaufen.
  3. WENIGER Klamotten kaufen.
  4. QUALITÄT KAUFEN, die lange hält.
  5. ZEITLOSE MODE KAUFEN, die man auch in 5-10 Jahren gerne trägt.
  6. Klamotten TAUSCHEN.
  7. Klamotten SECOND HAND kaufen.
  8. In den Kleiderschrank schauen: BRAUCHE ICH DAS WIRKLICH?
  9. Keinen SCHNELLSCHUSS kaufen.
  10. MODE kaufen, die ökologischen und fairen Ansprüchen genügt.